LOCATION: Friedenswarte Brandenburg Havel
FIELD DATES: 4.-6. August 2023
Die Rauminstallation in der Friedenswarte Brandenburg (Havel) befragt den Zustand von Hoffnung und Neugierde, Zuversicht und Vorstellungskraft – auch wenn noch nicht erkennbar ist, worum es sich eigentlich handelt und wie genau die Wegstrecke verläuft.
Es gibt eine Verbindung zu einem Ereignis in Brandenburg an der Havel vom 7. August 1846 – eine Geschichte von Verbindung, Bewegung, Teilhabe, Enttäuschung und von Spuren auf feinem weißem Textil.
Der Hauptbahnhof, der 1846 mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Berlin-Potsdam-Magdeburg errichtet wurde, zählt zu den ältesten an dieser Strecke erhaltenen Bahnhöfen. Der Anschluss Brandenburgs an die Bahnlinie war von grundlegender Bedeutung für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Bahnhof bildete den Ausgangspunkt für die Entstehung der Bahnhofsvorstadt. Von der aufwändigen Schmuckplatzgestaltung des Bahnhofsvorplatzes gibt es heute keine Spuren mehr. Der Bahnhofsvorplatz besaß vier Straßenbahngleise mit zwei Straßeninseln zum Ein- und Aussteigen. Bekannt war die sogenannte Rote Linie, die vom Bahnhof Altstadt zum Reichshauptbahnhof führte. Zudem war hier ein Taxistand platziert. Die Kraftdroschken hatten die Pferdedroschken verdrängt. Gegenüber dem Bahnhofsgebäude lagen das Hotel “Dresdner Hof” und das Hotel zur Eisenbahn.
(https://brandenburg.museum-digital.de/object/3286)
Eine Riesensensation für die Havelstädter, die in großer Zahl zu früher Stunde erwartungsvoll am Gleis standen. Bahnsteigsperren – später Jahrzehnte lang üblich – gab es noch nicht.Jener Beamte, der am Premierentag für die Sicherheit verantwortlich zeichnete, ließ deshalb kurzerhand bereits gespannte Seile samt Pfosten mit Teer bestreichen. Die Folge: Viele der Schaulustigen verdarben sich ihren schönen Sonntagsstaat. Im „Brandenburger Anzeiger” machten Betroffene ihrer Empörung Luft, zumal auch Unzufriedenheit über die wenigen im Zug reservierten Plätze für die Einheimischen herrschte. „Bei der stattgehabten Eisenbahnfahrt waren die sämmtlichen Leinen und Pfosten mit frischem Theer bestrichen… ein Verfahren, welches man bis jetzt hier zu Landes noch nicht gekannt hat. Ob der Herr Bahnmeister S. sich hierdurch den Dank und die Liebe der Brandenburger erwirbt, bleibt dahingestellt…”. Gleichzeitig gab es höhnische Anfragen. „Zu welchen Künsten gehört das Antheeren?”, „Aus welchen Stoffen ist das Fluidum bereitet, womit das hiesige Publicum von Betretung der Eisenbahn abhaltende Stricke am Sonntag früh um 8 Uhr getränkt worden sind?”. Oder auch: „Welche Mittel sind anzuwenden, um seidene und andere Kleidungsgegenstände von ihren Flecken zu befreien, die ihnen obige Stricke so reichlich und eindringlich gespendet haben?” Einige Tage später veröffentlichte der „Anzeiger” etliche Antwortschreiben. „Ein Mittel zur Entfernung der Teerflecken ist uns nicht bekannt, vielleicht kann aber der allgemein bekannte Erfinder dieser Methode Auskunft ertheilen. Sollte er dies nicht können oder wollen, so würden sich die geschädigten Personen ein Verdienst erwerben, wenn sie ihre befleckten Kleidungsstücke am Bahnhof als öffentliches Warnzeichen ausstellen, sich nicht durch hiesige Bahnbeamte antheeren zu lassen.” Und schließlich versuchte sogar Oberbürgermeister Franz Ziegler als Mitglied des Komitees der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn, in der Zeitung vom 12. August die Havelstädter zu beruhigen, „denen die freudige Theilnahme an einer so eifrig erstrebten Sache durch die Mißstimmung kurzzeitig verkümmert wurde.” Hatte sich doch das Stadtoberhaupt um den Bahnanschluss enorme Verdienste erworben. So steuerte die Kommune 375 000 Mark zum Vier-Millionen-Vorhaben bei, stellte überdies kostenlos aus ihren Forsten je 200 Eichen und Kiefern für Gleisschwellen bereit. Außerdem trat man die Grundfläche für das Bahnhofsgebäude sowie angrenzende Anlagen ab.
https://www.moz.de/lokales/brandenburg-havel/geschichte-der-bahn-in-brandenburg-an-der-havel-hielt-vor-175-jahren-der-erste-zug-59425339.html
Im August 1846 wurde die Linie Potsdam-Magdeburg dem öffentlichen Betrieb übergeben. Es war ein großer Tag für die Brandenburger. Viele Hunderte strömten nach dem Bahnhof und nach dem Potsdamer Steinweg, um das wunderbare Ungetüm, das Dampfroß, vorüberschnauben zu sehen. Wegen des ungeheuren Andrangs hatte der zuständige Baumeister den Bahnhof nicht nur mit Stricken absperren, sondern diese auch mit Teer beschmieren lassen, was dann vielfach Beschmutzung der Kleider der Herandrängenden zur Folge hatte und eine gewaltige Entrüstung in der Stadt erregt, die in den öffentlichen Blättern lange nachhallte.
Bei der Eröffnung der Eisenbahn wurde einigen Einwohnern freie Fahrt bis zum nächsten Haltepunkt gewährt, viele arme Leute hatten sich einen solchen Freiplatz erobert und waren bis ans Ende der Strecke mitgefahren. Sie waren sehr enttäuscht, als ihnen dann die freie Rückfahrt verweigert wurde und sie nun die elf Meilen von Magdeburg nach Brandenburg zurückwandern mußten, wo sie erschöpft und halb verhungert ankamen. Der Oberbürgermeister Ziegler hatte sich von vornherein für dieses Unternehmen mit großem Eiger eingesetzt und dabei auch die Unterstützung der Stadtverordneten und der wohlhabenden Einwohner gefunden. Aus der Stadt wurde so eine halbe Million Taler für eine Anleihe aufgebracht.
(“Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg“, Otto Tschirch, 1928)